Was ist Mental Load?
Mental Load: Hinter diesem Begriff verstecken sich all die unsichtbaren Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die im täglichen Leben einer Frau im Kopf herum rattern. Geprägt hat den Begriff die Comiczeichnerin Emma. Den Zustand als Solchen gibt es aber schon viel länger. Und eins ist sicher: Betroffen davon sind wir fast alle, besonders häufig trifft es aber berufstätige Frauen mit Kindern.
- Wann ist die nächste U-Untersuchung?
- Was sollte dein Kind nochmal mit zum Kita-Fest nehmen?
- Klassenpflegschaft: irgendwer muss es ja machen, oder?
- Und wer kümmert sich um mein Kind, wenn mal wieder ein „pädagogischer Tag“ ist, ich aber beruflich wichtige Termine habe?
Mein persönlicher Albtraum waren auch Dinge, wie Logopädie oder eine feste Zahnspange und den damit verbunden unzähligen Terminen. Hier auf dem Land heißt die Metro „Mama-Taxi“, fährt aber gefühlt genauso oft.
Von den Wäschebergen fange ich gar nicht erst an und die Fragen „Wo ist mein T-Shirt? Wo sind meine Schuhe? Haben wir keine Nudeln mehr? Kann ich mich heute verabreden?“ werden bei uns immer nur mir gestellt, selbst wenn mein Mann (der auch der Vater der Jungs ist) neben mir steht. Auch die Schule, die Kita oder der Sportverein haben noch nie bei ihm angerufen, wenn einer der Jungs abgeholt werden musste.
Ganz „nebenbei“ stehen viel Frauen auch im Job noch ihren Mann (fast eine Erholung), wuppen einen Großteil des Haushalts und sorgen dafür, dass der Hund vor die Tür kommt. Jenseits der 40 geht es leider dann allmählich auch los, dass die eigenen Eltern oder Schwiegereltern mehr Hilfe benötigen. Und auch diese Care-Arbeit wird meistens von Frauen erledigt.
Der ganz normale Wahnsinn also, denkst du jetzt vielleicht. Und tatsächlich ist es das für viele Frauen auch.
Stellen sich also die Fragen: Gab es das schon immer, muss das so sein und wer hat eigentlich schuld daran? Gehen wir der Sache mal auf den Grund.
Mental Load: Eine Frage des Geschlechts?
Beim wem hat Luca Physik? Die Frage bekam ich neulich auf dem Geburtstag meiner Freundin gestellt und hat mich kalt erwischt. Mein Sohn ist 12 und geht in die 6. Klasse. Und ich habe keine Ahnung wie der Physiklehrer heißt (immerhin bin aber ziemlich sicher, dass es ein Lehrer ist und keine Lehrerin).
Zack, sofort ist es da: das nagende Gefühl, eine „Rabenmutter“ zu sein! Ich glaube nicht, dass mein Mann jemals mehr Lehrer*innen namentlich kannte, als bestenfalls die Klassenlehrer. Und wann die nächste U-(bzw. J) Untersuchung ansteht oder welche Schuhgröße seine Kinder haben, weiß er mit Sicherheit auch nicht.
Von ihm erwartet das aber auch niemand, am allerwenigsten er von sich selbst. Also alles eine Frage der Hormone? Liegt es am zweiten X-Chromosom, oder ist es doch eher eine Sache der Prägung?
Erziehung und neue Herausforderungen
Wer hat in deiner Kindheit den Haushalt gemacht und sich um die Kinder gekümmert? In meiner Generation war es noch recht normal, dass die Mütter nicht oder nur sehr wenig arbeiten gegangen sind. Und wenn Mama mal weg war, dann musste ich das Essen für meinen (älteren) Bruder und meinen Vater machen. Solche Rollenbilder prägen sowohl uns als auch unsere Männer bewusst oder unbewusst.
Und auch die gesellschaftliche Entwicklung, in der wir uns nicht mehr auf die „drei-K’s“ (Kinder, Küche, Kirche) reduzieren lassen, tut ihr Übriges. Denn Frauen gehen heute, auch wenn sie Kinder haben, meist Teil- oder Vollzeit arbeiten und auch der „Freizeitstress“ hat sich erheblich erhöht. Durch den bezahlten Job und den unbezahlten Job zu Hause stehen sie fast 24/7 unter Daueranspannung- und verpflichtungen.
Meine Hoffnung ist hier, dass die nachfolgenden Generationen Frauen und Männer andere Rollenbilder als Vorbild haben. Ich versuche jedenfalls meinen Jungs klarzumachen, dass der Müll nicht von selbst zum Mülleimer läuft und der Weg zur Spülmaschine für mich derselbe ist. Ich hoffe, dass künftige Partnerinnen davon profitieren.
Perfektionismus
Kennst du sie auch? Diese fiese Stimme, die dir sagt, dass es nicht gut genug ist, dass du eine schlechte Mutter bist, wenn du die Kommunionkarten nicht selbst bastelst und den Haushalt spielend leicht und gut gelaunt nebenbei erledigst.
- Den Termin beim Elternsprechtag vergessen: schäm dich!
- Zum Klassenfest einen gekauften Kuchen mitgebracht: geht gar nicht!
- Dein Kind fährt mit dem Rad zur Schule, obwohl es regnet: wie kannst du nur!
Du willst
- die perfekte Mutter, Partnerin und Hausfrau sein
- beruflich voll durchstarten
- und allen anderen beweisen, dass du das alles schaffen kannst?
Während du also an alles und jeden denkst und dich kümmerst, wächst dein Mental Load stetig und unaufhaltsam.
Schuld ist dann ja wohl der Mann
Der Müll muss raus, die Küche aufgeräumt werden oder das nächste Meeting vorbereitet: aber bevor du das jetzt umständlich delegierst und erklären musst, machst du es lieber „schnell selbst“. Und natürlich beschwert sich niemand, wenn du dich um alles kümmerst. Aber vielleicht geben wir unserem Umfeld manchmal auch gar keine Gelegenheit dazu? Eine Kundin hat mal den Backofen geputzt, weil ihr Mann den Kindergeburtstag übernommen hat (Anmerkung: Das jüngere Kind war krank und einer musste dementsprechend zu Hause bleiben). Sie hat sich quasi damit bestraft. Verrückt, oder? Einem Mann würde das sicher nicht passieren (zu Recht!). Eine andere hatte zwar Mitarbeiter*innen, die ihr Arbeit abnehmen sollten, aber um auf Nummer sicher zu gehen, hat sie es dann doch meist selbst erledigt.
Männer stehen dem Phänomen Mental Load größtenteils ratlos gegenüber. Aber ihnen die Schuld an dem Dilemma in die Schuhe zu schieben, ist doch auch etwas zu einfach. Bin ich wirklich zufrieden, wenn mein Mann gestaubsaugt hat? Oder liegt da vielleicht noch ein Krümelchen auf dem Tisch, nachdem er ihn abgewischt hat? Ich jedenfalls darf weiterhin lernen, es zu akzeptieren, dass die Dinge anders erledigt werden, wenn ich es nicht selbst mache. Wie ist das bei dir?
Die Wechseljahre machen das Ganze dann auch nicht einfacher. Je gestresster du bist, desto wahrscheinlicher ist es, dass du auch an Beschwerden, wie schlechtem Schlaf, Stimmungsschwankungen und Schmerzen leidest. Und der sogenannte Stressbauch versüßt dir auch nicht gerade deinen Tag. All das zahlt weiter auf das Mental-Load-Konto ein.
Warum fühlt es sich Ü40 auf einmal noch schwerer an?
Es fühlt sich nicht nur schwerer an, es wird auch schwerer. Denn Cortisol, dein Stresshormon und Progesteron, das erste Hormon, das in den Wechseljahren beginnt zu sinken, teilen sich dieselbe Hormonvorstufe.
Bei chronischem Stress kann dein Körper den erhöhten Cortisolbedarf durch „Progesteron-Klau“mehr oder weniger gut decken. Einfach gesagt steht das nach dem Eisprung gebildete Progesteron nicht mehr für deinen Zyklus zur Verfügung, sondern wird in Cortisol umgewandelt. Nun bleibt im Verlauf der Wechseljahre (ab Mitte 30) der Eisprung aber immer häufiger aus, bis er schließlich komplett wegfällt. Dadurch wird zunächst deutlich weniger und am Ende fast gar kein Progesteron mehr gebildet. Dann kann entsprechend auch nichts mehr „geklaut“ werden.
Auf Dauer führt das zu einer höheren Stressempfindlichkeit, sodass dich der Zustand „Mental Load“ noch härter trifft. Spürbare Beschwerden auf mentaler und körperlicher Ebene sind dann die Folge.
Welche Folgen kann das für dich haben?
Frauen jonglieren unzählige Aufgaben und Verpflichtungen, während sie gleichzeitig versuchen, den eigenen Ansprüchen und Wünschen gerecht zu werden. Es ist also ein ständiger Kampf gegen die Zeit, aber auch gegen die eigenen Kräfte. Mental Load wird dabei meist zuerst als emotionales Problem wahrgenommen (wenn überhaupt). Betroffene Frauen fühlen sich:
- gestresst,
- überfordert
- und oft auch ausgebrannt.
Zeit für dich hast du keine (wann denn auch noch?) und deine eigenen Bedürfnisse kommen viel zu kurz.
Für viele ist das Schlimmste aber: Diese emotionale Last wird oft gar nicht gesehen. Partner und Kinder nehmen es als selbstverständlich hin, dass alles irgendwie läuft, während Frauen sich oft alleine und überfordert fühlen. Das führt unweigerlich zu Konflikten und zu noch mehr Stress.
Mental Load ist emotionaler Stress. Der hat aber dieselben Folgen, wie Termindruck oder Streit. Du findest in meinem Blog einige Artikel, die sich mit den Folgen von Stress befassen. Und das nicht ohne Grund:
- Immer öfter habe ich Frauen in meinem Coaching, die ihren gut bezahlten Job gekündigt haben, weil letztendlich die hormonelle Umstellung das Fass zum Überlaufen gebracht hat und der Körper es nicht mehr schafft, die Balance irgendwie aufrechtzuerhalten (und das tut er verdammt lange sehr gut).
- Und ich arbeite mit immer mehr Frauen, die nach einem Burnout feststellen, dass Yoga und Meditieren alleine nicht reicht, um wieder vollständig zu Kräften zu kommen.
Denn chronischer Stress raubt dir nicht nur jede Menge Nährstoffe, auch dein Darm wird geschädigt und deine Leber überlastet. Stress kann dich dick machen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen. Und auch deine Schilddrüse und die Nebennieren reagieren äußerst empfindlich auf Dauerstress, sodass dir schlussendlich Energie fehlt und du dich wie gerädert fühlst.
Nahezu alle hormonellen Beschwerden werden durch Stress begünstigt, ausgelöst oder verstärkt. Was kannst du also tun, um sowohl den emotionalen als auch den körperlichen Folgen zu entgehen?
Wie kannst du gegen Mental Load tun?
Um aus der Mental Load Spirale auszusteigen, solltest du dir zunächst bewusst machen, welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten du im täglichen Leben übernimmst. Es ist wichtig, dass du dir erlaubst, um Hilfe zu bitten und dir auch Zeit für dich selbst nimmst. Denn wie willst du auf Dauer für andere da sein, wenn du nur noch irgendwie funktionierst?
Mein Tipp:
- Besprich Aufgaben in der Familie und finde heraus, wer dich an welcher Stelle entlasten kann. Glaub mir, keiner wird Hurra schreien, wenn auf einmal die Karten neu gemischt werden. Aber unterm Strich will deine Familie ja wohl auch, dass es dir gutgeht.
- Du solltest dir aber auch bewusst machen, dass es okay ist, nicht perfekt zu sein. Klopfe dir selbst auf die Schulter für alles, was du jeden Tag leistest und lasse dich nicht von außen oder deiner eigenen inneren Stimme unter Druck setzen.
Stressmanagement scheint oft ein riesiger Berg, der unüberwindbar vor dir steht. Wann und wie sollst du das noch in deinen Alltag unterbringen? Und womit anfangen? Glaube mir: Schon kleine alltagstaugliche Veränderungen können eine enorme Wirkung auf dein Wohlbefinden haben.
Ein bisschen mehr Nährstoffe hier, eine kurze Meditation da. Ein 5 Minuten Ritual, um abends besser zu entspannen und zur Ruhe zu kommen. Eine ungesunde Gewohnheit weniger, dafür an anderer Stelle mehr Aufmerksamkeit für deinen Körper. Glaub mir, kleine Schritte in die richtige Richtung führen dich auch zum Ziel. Hauptsache, du machst dich auf den Weg, um dem Mental Overload zu entgehen.
7 Kommentare zu „Mental Load: Die unsichtbaren Aufgaben der Frauen“
Das ist super geschrieben, liebe Kerstin. Das wichtige Thema toll lesbar gemacht, Chapeau. Ich denke, damit sprichst du ganz vielen Frauen aus der Seele!
Ich danke dir, liebe Dagmar. Ich hoffe, das Thema damit etwas „sichtbarer“ machen zu können.
Liebe Kerstin,
du hast so recht! Leider gelten viele der Tätigkeiten, die Frauen rund um die Uhr und für andere verrichten, oft nicht als anerkannte Arbeit. Dabei macht der Kleinkram fertig und belastet. Da ist alles, was hilft, willkommen!
Liebe Grüße,
Eva
Danke für deinen Kommentar, liebe Eva. Wenn der Artikel dabei hilft, mehr Aufmerksamkeit (vor allem auch auf die körperlichen Auswirkungen, nicht nur in den Wechseljahren) zu legen, dann
freue ich mich.
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