Von Frau zu Frau: Sabine beantwortet mir Fragen, die Frauen in der Lebensmitte interessieren
Liebe Sabine- ich freue mich sehr, dass du bei meiner Expertinnen-Talk Reihe dabei bist.
Erzähl mal, aus welchem Grund möchtest du dich privat ungern als Knigge Trainerin vorstellen?
Hallo und guten Tag – tja, warum? Weil dann keiner mehr mit mir Essen gehen will. Dabei sind Knigge-Regeln für mich keine steifen und einengenden Benimmregeln – ich schau’ keinem auf die Finger, ob er oder sie alles richtig macht. Knigge bedeutet für mich: Wenn ich weiß, wie es geht, kann ich mich entscheiden, was ich einsetzen möchte, damit ich mich sicher und souverän fühle. Sodass sich mein Gegenüber in meiner Gegenwart wohlfühlt.
Das kann ich gut nachvollziehen. Als ich meinem Mann von unserem Interview erzählt habe, meinte er auch gleich direkt, dass du unseren Jungs ja mal „Tischmanieren“ beibringen könntest (by the way: SO nötig haben sie das gar nicht 😉)
Aber nun wieder zu dir: Schon als Kind hast du gerne verkauft. Zunächst an einem kleinen Verkaufsstand im heimischen Betrieb. Später hast du bei Juwelieren Schmuck verkauft in Preislagen, die mich schwindelig werden lassen.
Hast du dich in der Rolle der Frau jemals „nur“ als Verkäuferin gefühlt?
Nein, mir ist die Bewertung oder Klassifizierung von Berufen immer schon egal gewesen. Viel wichtiger ist doch: Ist jemand gut in dem, was er macht?
Ich kannte das schon von Zuhause. Es gab kein „dafür bin ich nicht zuständig“, es gab nur Aufgaben, die erlegt werden mussten. Meine Mutter, genauso wie mein Vater hatte einen Betrieb – mein Vater, die Gärtnerei, meine Mutter, den Blumenladen. Da mussten die restlichen Arbeiten von dem übernommen werden, der grade Zeit hatte. Mein Vater hat genauso seinen Anteil im Haushalt erledigt wie meine Mutter, außerdem kochte er besser. Und die Arbeit unserer Haushälterin und später unserer Putzfrau konnten wir gar nicht hoch genug schätzen.
Beeindruckt hat mich später noch Herr Wempe, von Juwelier Wempe. Die Geschichte ist jetzt schon 30 Jahre her. Er besuchte uns zur Weihnachtszeit in der Kölner Filiale. Wir waren alle am bedienen, es standen Gläser, Tassen und volle Mülleimer rum. Keiner hatte Zeit, die nach hinten zu räumen. Was macht Herr Wempe? Er geht rum, sammelt die Mülleimer ein und leert sie.
Meine Einstellung ist: Keine Arbeit hat einen geringeren Wert als andere – manche werden nur schlechter bezahlt.
Das ist eine tolle Einstellung – und leider viel zu selten! Da komme ich doch gerne auf eine weitere Tätigkeit von dir:
Du hast auch erfolgreich im Vertrieb für eben jenen hochpreisigen Schmuck gearbeitet. Der Vertrieb ist ja immer noch ein sehr Männer dominiertes Feld. Oft geht es dort sehr „laut“ zu.
Wie konntest du dich dort durchsetzen?
Mit Schlagfertigkeit, Humor und im extremsten Fall damit, jemanden durch gutes Benehmen den Spiegel vorzuhalten. Was ich damit meine? Als ich jung war, Kleidergröße, 32/34, lange blonde Haare – also konnte ich ja nur keine Ahnung haben, oder? Wenn dann dumme Sprüche kamen, habe ich sehr höflich und sachlich geantwortet. Dadurch haben sich Macho-Sprüche sehr schnell als genau das geoutet, was sie sind: großer Auftritt – nicht immer was dahinter.
Im Schmuckaußendienst waren wir Frauen eher die Exoten und wurden besonders aufmerksam wahrgenommen. Doch zur Ehrenrettung muss ich sagen, es gibt in der Schmuckbranche nur wenige Männer mit auffälligem Verhalten. Belehrende Sprüche bekam ich eher von Kunden, als ich noch im Einzelhandel war. „Frau kann ja keine Ahnung von Uhren haben, ist ja Technik.“
Ich hatte eine fundierte Ausbildung als Uhrmacherin und Einzelhandelserfahrung. Ich wusste, wovon ich sprach, da kamen dann die überraschten Bemerkungen: „Oh, Sie kennen sich ja aus.“ Damit war dann alles geklärt.
Bis heute habe ich viele männliche Teilnehmer, z. B. aus dem Handwerk. Auch hier komme ich mit Schlagfertigkeit, Humor und guter Vorbereitung immer an den Punkt, dass ich selbst die Knorrigsten überzeugen kann, dass mit Höflichkeit und passenden Umgangsformen das Leben und Arbeiten viel einfacher ist.
Das finde ich grandios. Denn in jedem Dienstleistungsbetrieb machen gute Umgangsformen allen das Leben entschieden leichter.
Sabine, durch deine Arbeit auf dem europäischen Markt konntest du dir ein Bild von unterschiedlichen Umgangsformen machen.
Gibt es für dich einen Vorreiter in Bezug auf gute Umgangsformen? Oder/und in Bezug auf Umgang mit den Kunden? Gibt es Länder, in denen es Frauen leichter haben?
Was den Umgang mit Kunden angeht: Es gibt viele Länder, in denen das Verkaufen, die Dienstleistung einen höheren Stellenwert hat. Die Niederlande, Südeuropa, Osteuropa, USA sind nur einige Beispiele. Wir sind in Deutschland sehr faktenorientiert. Erst seit einigen Jahren liegt der Fokus mehr auf Serviceorientierung und Kundenfreundlichkeit. Man sieht das besonders gut an der Autowerbung. Früher wurden technische Daten heute Emotionen vermittelt.
In Bezug auf Umgangsformen gibt es ein Land, das ich besonders spannend finde – Frankreich. Frankreich hat es geschafft, dass Frauen im Berufsleben Ihren Platz haben und trotzdem können Männer ihnen in den Mantel helfen – ein wenig Ritter sein. Ich finde es sehr angenehm, dass nicht alles so verkopft auf Gleichberechtigung ausgelegt wird. Natürlich sind Frauen und Männer gleichberechtigt und das sollte sich schon längst in der Bezahlung, in Karrieremöglichkeiten und in der Familie niederschlagen. Ich finde es allerdings schön, dass es ein ganz entspanntes Miteinander als Frau und Mann gibt. Wichtig ist natürlich immer: Grenzen dürfen nicht überschritten werden.
In Frankreich gibt es einen hohen Frauenanteil in der Berufswelt. Doch Vorreiter sind die skandinavischen Länder. Da gibt es von alters her eine ganz besondere Haltung: „Keiner ist besser als der andere.“ Mit diesem Grundverständnis ist es viel einfacher, sich ein eigenes Leben innerhalb der Familie zu schaffen.
Es wäre schön, wenn wir hier auch etwas von dieser Einstellung übernehmen würden. Das würde es für alle Frauen, die Beruf und Familie vereinbaren möchten, erheblich erleichtern.
Heute schulst du Mitarbeiter in verschiedenen Branchen in Bezug auf Kundenorientierung und Umgangsformen. In der Servicewüste Deutschland sicher nicht immer ein leichtes Unterfangen.
Erwarten Frauen in Führungspositionen von dir etwas anderes als Männer?
Frauen stellen eher grundsätzlich einen Bedarf für Knigge-Schulungen fest. Männer reagieren, wenn es einen Anlass gegeben hat oder Serviceorientierung als sinnvolles Instrument identifiziert wurde.
Männer beauftragen mich eher, um durch Kundenorientierung den Umsatz oder das Image zu verbessern. Frauen legen zusätzlich noch den Fokus auf das Miteinander im Team oder Unternehmen.
Liebe Sabine, im Umgang mit deinen Kunden und bei deinen Vorträgen lernst du viele Menschen kennen.
Bemerkst du eine neue Selbstverständlichkeit bei Frauen ab 40? Haben sie ein anderes Auftreten und ist es vielleicht sogar einfacher, mit ihnen zu arbeiten?
Frauen ab 40 möchten sich oft noch mal neu erfinden oder definieren. Sie hinterfragen Gewohnheiten, Grenzen und Einstellungen. Sie wollen ihr Leben entlasten oder umkrempeln und das bedeutet raus aus der Komfortzone.
Und was passiert, wenn nichts mehr so ist, wie ich es kenne? Ich werde unsicher. Und da kommt Knigge ins Spiel. Wenn ich weiß, wie ich wahrgenommen werde und wie ich wahrgenommen werden möchte, dann kann ich lernen, wie ich sicher und souverän auftrete. Dabei hilft Knigge, so, wie ich ihn definiere.
Frauen ab 40 haben oft eine angenehme Balance zwischen ‚machen wollen‘ und ‚ich muss keine Bäume mehr ausreißen‘. Sie trauen sich etwas zu verändern, dabei geht es aber darum, mit sich selbst ins Reine zu kommen und nicht darum, Anerkennung von außen zu bekommen. Sie tun es, weil SIE es wollen.
Ja das stelle ich bei meinen Kundinnen oder im Freundeskreis auch fest: Wir müssen niemandem mehr etwas beweisen und nicht alles „mitmachen“.
Zusammengefasst kann man wohl sagen: Kunden und Knigge -diese zwei Leidenschaften ziehen sich durch dein Leben.
Wo hat dir das Wissen über gute Umgangsformen abseits des Geschäfts am meisten geholfen? Da denke ich so an hysterische Mütter auf dem Spielplatz oder anstrengende Lehrergespräche.
Da ich wunderbare Beutekinder bekommen habe und die schon aus dem Gröbsten raus waren, brauchte ich mich nie mit Spielplatzquerelen oder anstrengenden Elternabenden oder Lehrergesprächen auseinandersetzen. Aber selbstverständlich wären dort einige Knigge-Tipps sehr hilfreich gewesen.
Aber auch im normalen Leben hilft einem Knigge durch den Tag. Bei meinem Mann und mir gibt es auf unseren Reisen ein ungeschriebenes Gesetz. Wenn es darum geht, etwas zu erreichen, vielleicht auch etwas, was über ein normales Maß herausgeht, dann komme ich ins Spiel. Klar, der Frau-sein-Bonus ist hilfreich, aber auch vieles aus der Knigge-Welt ist international. Mit Freundlichkeit und Höflichkeit sind wir bisher immer ans Ziel gekommen.
Nein, stimmt nicht ganz. In Murmansk, Russland, musste ich dringend zur Toilette. Öffentliche WC oder Raststätten gab es nicht. Vor einem öffentlichen Gebäude stand eine Soldatin, Gewehr über die Schulter, in einem lockeren Gespräch mit einem Mann. Ich also hin und mit Zeichensprache nach einer Toilette gefragt. Der Mann wollte sie mir auch gleich zeigen, doch die Soldatin stellte sich mir in den Weg, die Kalaschnikow – wie ich später erfuhr – im Anschlag und sagte nur: „Stoyat!“ (Russisch ausgesprochen für: Stehenbleiben) Mir war klar, hier komme ich auch mit der größten Freundlichkeit nicht weiter. Abgesehen von dieser Situation sind wir mit Höflichkeit und freundlichem Auftreten immer gut gefahren.
Wenn du wissen möchtest, wie dir sicheres und souveränes Auftreten in jeder Lebenslage gelingen kann, dann schau auf der Seite von Sabine vorbei:
Du Ärmste: Ausgerechnet in so einer Situation hätte ich dir nun wirklich Erfolg gewünscht. Es war mir eine riesengroße Freude mit dir über deinen interessanten Lebensweg und deinen etwas ungewöhnlichen Beruf oder vielmehr deine Berufung zu sprechen.
Eine abschließende Frage habe ich jetzt noch an dich:
Was rätst du als Expertin in Sachen Umgangsformen Frauen, die sich immer noch nicht ernst genommen fühlen? Sie gelten ja schnell als hysterisch, Meckerziegen oder knallhart und frigide, wenn sie sich in einer männerdominierten Branche durchsetzen wollen oder in eine Führungsposition gelangen. Wie sollten sie reagieren?
Sie sollten an Ihrem Auftreten arbeiten. Körperhaltung und Kleidung verhelfen frau zu einem kompetenten Eindruck – Schlagfertigkeit und Humor hat noch jeden Mann fassungslos werden lassen. Frauen sind oft sehr kompetent, glauben aber, ihnen fehlt noch etwas. Männer sind da entspannter, sie trauen sich oft mehr zu.
Ein Beispiel: Vor einigen Jahren begleitete ich eine weibliche Führungskraft bei der Neupositionierung. Ihr Unternehmen hatte ihr gekündigt. In unserem ersten Gespräch kam ganz beiläufig: „Jetzt ist es aufgefallen, dass ich meinen Job nicht perfekt ausfülle.“ Diese hoch qualifizierte Frau, eine Ebene unter dem Vorstand, fühlte sich ertappt.
Ich antwortete: „Dann muss ihr Chef ja wirklich keine Ahnung haben, wenn ihm das erst nach 10 Jahren auffällt.“ Ein überraschter Blick und dann ein sehr befreiendes Lachen. Damit war das dann auch geklärt. Ihre neue Position war im Vorstand in einer schweizerischen Privatbank mit einem Gehalt, was mich die Nullen zählen ließ.
Ein völlig anderes Beispiel: Ein Mitarbeiter eines Unternehmens, in der Position eines Teamleiters, war auch auf der Suche nach einer neuen Position. Zu unserem Termin brachte er mir die Stellenausschreibung für eine Geschäftsführerposition mit. Völlig unpassend. Auf meine Frage, ob er sich den Job zutraut: „Klar kann ich und was ich nicht kann, lerne ich.“
Frauen schauen oft darauf, was Sie nicht können, Männer darauf, was sie können. Deswegen wirken und agieren wir schnell unsicher oder auch aggressiv. Junge Frauen sind sich häufiger ihrer fachlichen Kompetenzen bewusst und treten hier sicher auf, doch wenn es um die persönlichen Stärken geht, werden schnell die Grenzen des eigenen Selbstbewusstseins deutlich.
Mein Appell an uns Frauen: Seien wir uns unserer Stärken bewusst und stärken diese. Vergeuden wir nicht zu viel Zeit und Kraft darauf, Superwoman sein zu wollen.
Danke, dass du dir die Zeit für meine Fragen genommen hast!
7 Kommentare zu „Expertinnen Talk: Heute mit Knigge Trainerin Sabine Lansing“
Ein wundervolles Interview ist das. Ich kenne Sabine ja nun schon seit einiger Zeit und konnte noch viele weitere Einblicke in ihr Leben und ihr Business bekommen. Ich habe mich sehr über ihre Antwort amüsiert, warum sie sich privat nicht gern als Knigge-Beraterin outet. Auf diese Idee wäre ich gar nicht gekommen. Vielen Dank, liebe Kerstin
Liebe Monika, freut mich, dass du noch was Neues rausfinden konntest über Sabine. Genau deshalb liegt mit diese Reihe so am Herzen.
Es gibt so viele interessante Frauen mit so vielen interessanten Geschichten.
Herzliche Grüße,
Kerstin
Kerstin, mein Herz geht auf. Vielen Dank für das Kompliment! Mir hat das so viel Spaß gemacht. Ich freue mich zu sehen, wie die Reihe weitergeht.
Mich hat es sehr gefreut, dass du dabei warst! Ich freue mich auf weitere Projekte 🙂
Es sind eine ganze Reihe weiterer Interviews in Planung. Ich liebe diese Reihe! Es gibt so viel
Spannendes zu erfahren und si viele tolle Frauen da draußen.
Jaja, in jedem Menschen stecken noch so viele Geheimnisse. Manche kommen auch erst dann wieder an die Oberfläche, wenn einem so ein schönes Interview geboten wird. Vieles von dem ich hier gesprochen haben, hatte ich gar nicht mehr so präsent.
Wunderbares Interview und viele der Erfahrungen von Sabine kann ich als Coach, die häufig mit Frauen in Führung zu tun hat, nur bestätigen. Und der schöne Humor blitzte hier ja auch durch. Dankeschön.
Liebe Carmen,
es freut mich sehr, dass dir das Interview gefällt. Beim Thema Humor bist du
als Expertin ja auch weit vorne mit dabei :-). Ich würde mich freuen, wenn du für diese
wunderbaren Interview-Reihe auch zur Verfügung stehen würdest?
Lieben Gruß
Kerstin