Wo zeigt sich das im Alltag?
Vielleicht häufiger, als du denkst.
Schon mal gezählt, wie viele Schichten Kleidung du im Büro trägst, während dein Kollege im T-Shirt dasitzt?
Kein Wunder: Bürotemperaturen wurden in den 1960er Jahren auf den männlichen Stoffwechsel abgestimmt. Frauen frieren schneller – nicht, weil sie „empfindlich“ sind, sondern aufgrund ihrer geringeren Muskelmasse und eines anderen Stoffwechsels.
Oder hast du dich gefragt, warum du nach einem Autounfall ein höheres Verletzungsrisiko hast?
Crashtest-Dummies repräsentieren meist männliche Standardkörper. Der „weibliche“ Dummy – wenn er überhaupt verwendet wird – entspricht einer 1,55 m großen, 54 kg schweren Frau. Das ist weit entfernt vom Durchschnitt und erhöht das Verletzungsrisiko für Frauen bei Unfällen.
Und jetzt wird’s ernst: die Medizin
Frauen brauchen eine eigene Medizin
Lange Zeit dachte man in der Medizin: Frauen sind einfach kleinere Männer. Dass das ein fataler Irrtum ist, zeigt sich nicht nur bei Symptomen, sondern auch bei Medikamenten und Krankheitsrisiken.
Frauen haben andere Symptome
Ein klassisches Beispiel ist der Herzinfarkt. Während Männer oft über die typischen starken Brustschmerzen klagen, zeigt sich ein Herzinfarkt bei Frauen häufig durch:
- Übelkeit, Erbrechen
- Rückenschmerzen oder Kieferschmerzen
- Luftnot und extreme Müdigkeit
Das Problem? Diese Symptome passen nicht ins klassische Bild – und so werden Herzinfarkte bei Frauen häufiger übersehen oder zu spät behandelt.
Aber nicht nur die Symptome sind anders, auch die Krankheitsrisiken unterscheiden sich deutlich zwischen Männern und Frauen.
Typisch Mann? Typisch Frau?
Frauen haben ein ganz eigenes Krankheitsprofil, das oft zu wenig Beachtung findet:
- Osteoporose tritt fünfmal häufiger bei Frauen auf.
- Rheumatoide Arthritis betrifft Frauen dreimal so oft wie Männer.
- Harnwegsinfekte, Niereninsuffizienz und Schilddrüsenerkrankungen kommen bei Frauen wesentlich häufiger vor.
- Brustkrebs ist offensichtlich eine Frauenerkrankung – dennoch beruhen einige Therapiestudien auf männlichen Daten.
Und dann ist da noch das Thema Medikamente.
Frauen verstoffwechseln Medikamente anders
Die meisten Medikamente wurden lange Zeit an Männern getestet – mit der Annahme, dass die gleiche Dosis für Frauen genauso funktioniert. Tut sie aber nicht.
Dafür gibt es mehrere Gründe:
- Hormonelle Schwankungen beeinflussen die Wirkung von Medikamenten. Je nach Zyklusphase kann ein Wirkstoff stärker oder schwächer wirken.
- Die Leber arbeitet anders, sodass einige Medikamente langsamer oder schneller abgebaut werden.
- Der Körperfettanteil ist höher (sad but true) was bedeutet, dass sich bestimmte Medikamente anders im Gewebe verteilen.
Das Ergebnis: häufigere Nebenwirkungen
Frauen haben nicht nur öfter Nebenwirkungen – sie sind oft auch stärker.
Hier ein paar Beispiele:
- Zolpidem (Schlafmittel): Frauen bauen den Wirkstoff langsamer ab, was zu einer höheren Unfallgefahr am Morgen führt. In den USA wurde daher die empfohlene Dosis für Frauen halbiert.
- Krebstherapien: Frauen brechen Chemotherapien häufiger ab, weil die Nebenwirkungen für sie stärker ausfallen.
- Blutdruckmedikamente: Nach den Wechseljahren steigt der Blutdruck durch den Östrogenmangel, doch Standarddosierungen sind oft zu hoch, weil sie nicht auf diese Veränderungen eingehen.
- Diabetes-Medikamente: Östrogen beeinflusst den Blutzucker. Nach den Wechseljahren verringert sich die Insulinempfindlichkeit – trotzdem gibt es kaum geschlechtsspezifische Anpassungen bei der Behandlung.
- Schilddrüsenmedikamente: Die Wechseljahre verändern den Schilddrüsenstoffwechsel, doch viele Frauen erhalten weiterhin die gleiche Dosierung, obwohl ihr Körper eigentlich eine Anpassung bräuchte.
Warum das alles wichtig ist
Wenn Frauen häufiger an bestimmten Krankheiten leiden und gleichzeitig Medikamente anders verstoffwechseln, müsste die Medizin darauf Rücksicht nehmen.
Dr. Axel Jörg Potempa bringt es auf den Punkt:
„Die Lebenserwartung von Frauen wäre wahrscheinlich noch höher, wenn mehr Wert auf Gendermedizin gelegt würde.“
Aber das passiert nur langsam. Gendermedizin ist ein eigenes Fachgebiet, steckt aber noch in den Kinderschuhen.Und das bedeutet: Bis sich etwas ändert, müssen wir selbst aufmerksam sein.
Wie konnte es dazu kommen?
Frauen gelten in der medizinischen Forschung oft als zu kompliziert. Ihr Hormonhaushalt schwankt, sie durchlaufen verschiedene Lebensphasen – also hat man es sich einfach gemacht: Man hat die Forschung an Männern durchgeführt und die Ergebnisse auf Frauen übertragen.
Und das beginnt nicht erst bei klinischen Studien, sondern schon bei Tierversuchen. Mehr als 70 % aller Tests werden an männlichen Tieren durchgeführt, weil man sich die „störenden“ hormonellen Schwankungen der weiblichen Tiere sparen möchte. Das Ergebnis? Eine lückenhafte Forschung, die Frauen systematisch benachteiligt.
Dabei ist die Vorstellung, Frauen seien einfach nur kleinere Männer, genauso falsch wie die Annahme, dass Kinder einfach kleine Erwachsene sind. Vor 150 Jahren wurden Kinder mit den gleichen Medikamenten behandelt wie Erwachsene – bis man feststellte, dass ihr Körper anders funktioniert. Heute gibt es eine hochspezialisierte Kinderheilkunde.
Und genau das brauchen wir auch für Frauen.
Denn es geht nicht nur um Größe und Gewicht – sondern um grundlegend andere Stoffwechselprozesse, Hormonwirkungen und Krankheitsverläufe.
Es gibt erste Fortschritte – aber es dauert
Die gute Nachricht: Das Problem der Gender Data Gap wird inzwischen erkannt, und die Medizin beginnt langsam, sich zu verändern. Erste Forschungsprojekte und Initiativen setzen sich dafür ein, dass Frauen nicht länger nach männlichen Maßstäben behandelt werden. Doch der Weg von der Theorie in die Praxis ist lang.
- Gendermedizin ist heute ein eigenes Forschungsfeld, steckt aber noch in den Kinderschuhen.
- Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat 2024 ein Förderprogramm gestartet, um die Forschungslücke endlich zu schließen.
- Länder wie Österreich und die Schweiz integrieren geschlechtersensible Medizin in die Ausbildung von Medizinstudierenden.
Doch ein Problem bleibt: KI macht es gerade nicht besser.
Künstliche Intelligenz wird zunehmend in der Medizin eingesetzt – von Diagnosesystemen bis hin zur Medikamentenentwicklung. Doch viele dieser Systeme basieren auf vorhandenen Daten, die überwiegend von Männern stammen. Das bedeutet, dass die KI-gestützte Medizin die Gender Data Gap nicht nur übernimmt, sondern weiter verstärken kann.
Aber bis dieses Wissen in jeder Hausarztpraxis ankommt? Dauert es noch.
Deshalb müssen Frauen heute selbst aktiv werden – und darauf achten, dass ihre Gesundheit nicht nach männlichen Standards behandelt wird.
Was kannst du tun?
Bis sich die medizinische Versorgung anpasst, liegt es an uns Frauen, bewusster mit unserer Gesundheit umzugehen. Denn dein Körper ist kein medizinisches Rätsel – du musst nur lernen, seine Signale zu verstehen.
👉 Die Macht der Hormone: Verstehe, was in deinem Körper passiert
Hormone steuern fast alles – von deinem Energielevel über deine Stimmung bis hin zu deinem Stoffwechsel. Gerade in den Wechseljahren verändert sich ihr Einfluss massiv. Das bedeutet:
- Dein Blutzucker reagiert sensibler, was Heißhunger und Energietiefs verstärken kann.
- Dein Stresslevel wirkt sich stärker auf dein Gewicht, deinen Schlaf und deine Verdauung aus.
- Dein Körper verarbeitet Nährstoffe anders – ein Grund, warum Diäten oft nicht mehr funktionieren.
👉 Ernährung als Schlüssel: Gib deinem Körper, was er braucht
Die richtige Ernährung kann vieles ausgleichen, was die Medizin noch nicht für dich bereithält. Anti-entzündliche, hormonfreundliche Ernährung kann helfen, Symptome zu lindern und Krankheiten vorzubeugen.
- Proteine und gesunde Fette stabilisieren den Blutzucker und helfen, Hormonspitzen auszugleichen.
- Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe unterstützen die Darmgesundheit – und der Darm beeinflusst wiederum deine Hormone.
- Vitamine und Mineralstoffe sind essenziell – gerade für Frauen, die ein höheres Risiko für Osteoporose, Schilddrüsenerkrankungen oder Eisenmangel haben.
👉 Stress als Krankmacher: Nimm ihn ernst!
Stress ist nicht nur ein Gefühl – er kann deine Hormone komplett durcheinanderbringen. Chronischer Stress beeinflusst unter anderem:
- Deinen Stoffwechsel: Hoher Cortisolspiegel fördert Bauchfett und Insulinresistenz.
- Deine Verdauung: Stress kann zu Blähungen, Reizdarm und Nährstoffmängeln führen.
- Deine Hormone: Cortisol kann die Balance von Östrogen und Progesteron stören, was Zyklusbeschwerden, Schlafstörungen oder Stimmungsschwankungen verstärken kann.
👉 Kümmere dich um dich – niemand sonst wird es tun
- Beobachte dich selbst. Dein Körper gibt dir Signale – lerne, sie zu deuten.
- Hinterfrage Standardbehandlungen. Ein Medikament ist nicht automatisch für dich geeignet, nur weil es für Männer gut funktioniert.
- Setze auf Prävention. Ernährung, Bewegung und ein gesunder Lebensstil sind deine beste Absicherung gegen typische Frauenkrankheiten wie Osteoporose oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
- Bleib kritisch. Frage nach geschlechtsspezifischen Unterschieden und fordere individuelle Beratung.
Der weibliche Körper ist keine Abweichung von der Norm – er ist die Norm für die Hälfte der Menschheit. Und es wird Zeit, dass die Medizin das endlich anerkennt. Bis dahin gilt: Du hast mehr Einfluss auf deine Gesundheit, als du vielleicht denkst. Nutze ihn!
Wenn du herausfinden möchtest, ob deine Hormone eine Rolle bei deinen Beschwerden spielen, hilft dir mein kostenfreier Hormonbauch-Check. Und falls du dich fragst, wie du deine Ernährung an die Wechseljahre anpassen kannst, dann lade dir meinen kostenfreien Ernährungsguide für die Wechseljahre herunter. Denn: Du kannst mehr für dich tun, als du denkst!